Vortrag/Veröffentlichung zum Thema Kunst und Klimaschutz  (1995) -  ©  Dr. Lebus,  Greifswald - Germany
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Expertisen anderer Art. Kunstreflexionen zum Klima(schutz).

Rückblick, Bildbeispiele, Thesen.  (1995)
[In: Bürgerbeteiligung und lokale Klimaschutzpolitik. Hrsg. von Theo BÜHLER. Bonn: Eigenverlag Wissenschaftsladen Bonn, 1996. S. 217 - 222]

 

(Einschub 2021) Hört das Summen

 

Nicht Insekten müssen brummen,

brummen muss nur das Geschäft?

 

Was, aber, ist mit den Jungen,

fragt man sie zu allerletzt?

Ob wir Alten erst verstummen,

wenn man uns ins Grab entlässt?

Stehen gemeinsam wir, als Dumme,

klagend einst vorm Erdenrest?

 

Hört das Summen, hört das Brummeln:

Muss florieren bis zuletzt …

 

[Aus: Claude Lebus, Inselverführt. Gedichte… KDP, 2020]

 

Mein Vortrag ist als skizzenhafte allgemeine Bestandsaufnahme angelegt. Er beginnt
I. mit Text zum Thema Klimaexpertisen in Religion, Natur-, Geisteswissenschaften und Kunst, dann folgen
II. einige Dias zum Thema Kunst und Klima - im schriftlichen Beitrag auf wenige Abbildungen reduziert
    (im  Internet  ohne Bilder!), und abschließend
III. folgen Thesen zu umweltkritischen Leitbildern.

 

I.   Schon die Bibel berichtet als alte Schrift von menschlichen Umweltkonflikten, von Unterwerfung und Achtung der Natur, von paradiesischen Aussichten und fataler Apokalypse.
Mit ihren Geschichten zeigt die Bibel, wie der Mensch gottgegebene Naturbande überansprucht, zerreißt, zerstört und mit
- Sintflut (1.Mose 6ff.),
- dem Untergang von Sodom und Gomorra (1.Mose 19)
- oder Dürre, Brandkorn und Hagel (Haggai 2.17) bestraft wird.
- Das letzte Buch des neuen Testaments schließt mit der prophetischen Mahnung und Warnung des Johannes (Offenbarung 1ff.), mit dem Weltgericht.

Kirchliche Glaubenssätze behindern einerseits seit Beginn die Forschung, andererseits korrigiert die Vorstellungswelt der Bibel das quantitative Weltbild der exakten Wissenschaften. Ohne Zweifel kann die Religion Defizite der anderen Vernunft, sprich Lebenssinn, Moral und Ethik, allgemeinmenschlichen Wertefragen, füllen, und sie öffnet Räume für das Nicht-Sagbare.

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Auch die politischen, moralischen, quantitativ-praktischen und ästhetischen Dimensionen des Maßes bzw. Maßvollen scheinen im Bibeltext durch, doch das Messbare steht bereits vornan, wenn etwa der Prophet (Hesekiel 45.10) die Fürsten auffordert "Ihr sollt rechtes Gewicht, und rechte Scheffel und rechtes Maß haben."

Aus dem rechten und gerechten Maß, der Frage also nach den zumutbaren und verträglichen Grenzen, machen die Naturwissenschaften eine Grenzwertdiskussion - gerade im so genannten Umweltbereich. Technologische Normen prägen den Umweltschutz und unser geordnetes Leben mit Auflagen und Verträglichkeitsprüfungen. Sie reichen von der Deutschen Industrienorm (DIN), über den TÜV bis hin zu den Technischen Anleitungen (TA) für Abfall, Lärm und Luft. Leblose Zahlen - die zwar immer anschaulicher präsentiert werden, doch - wie die Klimaforschung mit ihrer Produktion endloser Zahlenreihen, Modelle, Alternativen - bislang fast folgenlos. Was sich lediglich ändert, sind das technische know how, die Megabyte der Forschungscomputer, die finanziellen Etats. Kann aber eine Wachstumsbranche wie die Klimaforschung die Hauptakteure Wirtschaft und Politik von der Notwendigkeit des Gegenteils überzeugen?

Bei Expertisen für Planung, Entwicklung, Zukunftsgestaltung zählen nach landläufiger und regierender Meinung weiterhin diese richtigen Experten, d.h. vorrangig die Naturwissenschaftler. Geisteswissenschaftler werden zwar berücksichtigt (siehe Zukunftskommissionen von STOIBER und BIEDENKOPF), spielen aber in einer anderen Riege. Über RICKERT, DILTHEY, WINDELBAND, LUKACS bis zu Charles Percy SNOWs "Die zwei Kulturen" (1959) wurde die Unterschiedlichkeit von Kultur- und Naturwissenschaft reflektiert. Der eine Unterschied: Wertbegründungen kommt den gebildeten Geistern zu. Nur: mit dem Verfall von Normen und Werten zerschellen in der Gegenwart viele der aufgeblähten Theoriengebäude von der nachindustriellen Gesellschaft und kommunikativer Vernunft im herrschaftsfreien Raum. Die sozialkritischen Diskurse sind von den Hohen Schulen verbannt. Die gutbezahlten Eliten glänzen mit Anpassung und sammeln heimlich die Warnschilder an den Sackgassen der Wohlstandsinseln ein. Unverbindlichkeit beruft sich auf Ausdifferenzierung der Gesellschaft. Den selbstgefälligen Beliebigkeitsaposteln muss entgegengehalten werden, dass die Meinung, alles sei relativ, gleichfalls relativ ist. Das beweisen recht eindeutige Tendenzen.

So wird die Umweltkrise mehrheitlich anerkannt. Mehrheitlich schiebt man auch einen notwendigen Wandel hinaus. Der mainstream - regiert von ökonomischer Irrationalität - verkündet trotz schlechter Großwetterlage Sonnenscheinprognosen. Die Wetterkarten von Politik, Wirtschaft und tonangebenden Medien versprechen bestes Urlaubswetter.

Eine Minderheit aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur und anderen Öffentlichkeiten teilt diesen Optimismus nicht. Die Wetterkarten beim BUND, NABU, alternativer Forschung und grüner Institutionen, vom Umweltbundesamt (UBA) oder Bundesamt für Naturschutz (BfN) geben Sturmwarnung. Man bewegt sich also, wie ich an anderer Stelle formulierte, in scheinbar verschiedenen, ja polaren Klimazonen.

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dass seit kurzer Zeit gerade die ästhetische Perspektive zum Favoriten aufrückt, hat mehrere Ursachen. Zum einen die Einsicht, dass weder Technologie noch Wissenschaft die Umweltkrise beenden, sondern der Lebensstil zur Diskussion steht. Zum anderen gleiten unsere einfachen Wahrnehmungen nur flüchtig über die Oberfläche, Vergiftungen lassen sich selten direkt sehen, riechen oder hören. Schließlich benebeln die viel verbreiteten und schöngefärbten Trugbilder die Sinne. Und vor allem lähmt die Magie der schönen unnützen Dinge den natürlichen Selbsterhaltungstrieb des Menschen.

Der notwendige Wandel braucht eben andere Wahrnehmungs-, Denk- und Gestaltungsweisen, die den Chancen für einen bescheideneren Lebensstil mit einem mehr an Lebensqualität aufspüren. Ästhetisches Denken erfordert, sich mit allen Sinnen auf die Wirklichkeit einzulassen, eine ganzheitliche Sicht zu versuchen und für die Übergänge von Innen und Außen, Natur und Kultur, Nord und Süd, West und Ost zu sensibilisieren.
Wir wissen, dass an solchen Nahtstellen Spannung entsteht. Und wo es spannend wird, gibt es diese ganz anderen Formen von Wahrnehmung und Gestaltung - als künstlerische Expertisen nämlich, die mit Phantasie und Poesie Fakten, Trends und Fiktionen verdichten, verrücken, vernetzen, ins Bild bringen. Kunst als besonderes ästhetisches Verhalten formt sinnlich-sinnhafte Befunde zu Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem, begleitet den Sichtwechsel ins hoffentlich ökologiebewusstere 21.Jahrhundert. Selbst das Engagement einer Minderheit kann neues Denken anzetteln, um mittelbar zu einem neuen Verhalten beizutragen. Denn die "Zeit des Sich-Besinnens ist vorbei" (Curtis BRIGGS, Geschäftsführer von Artists for Nature, AfN).

Veränderungen stehen ins Haus. Die ewigen Wiederkehr des Gleichen unter dem Vers: es "geschieht nichts Neues unter der Sonne" (Salomo 1.9.), ist ein konservativer Glaubenssatz und ebenso frommer Wunschtraum wie die Verheißung des Herrn nach dem Ende der Sintflut und Noahs Dankopfer: "Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht" (1.Buch Mose 22). Nichts bleibt, wie es ist - das gilt für die Ausmaße der Umweltbelastungen, wie für das Antlitz der Erde...
 

II.   Das kann Kunst exemplarisch belegen. Bei den Beispielen verzichte ich auf drei wesentliche Gruppen - zum ersten auf die Karikatur als massenwirksamste grafische Form, zum zweiten auf das Globusmotiv als verbreitestes umweltkritisches Symbol, und drittens auf landschafts- und lebensraumgestaltende Alternativen.

Der Naturbegriff hat sich wenig gewandelt, das Naturbild um so entschiedener. Bereits im "Garten der Natur" (1410) ist Natur das Gegenüber, das gezähmt und befriedet werden muss. Diese menschliche Anstrengung führt im Laufe der Jahrhunderte zu einer deformierten technischen Landschaftsgestalt, etwa zum "Mechanischen Garten" Hanna HÖCHs (1920).

Im Vergleich zwischen damals und heute gilt ähnliches für die vier Elemente Wasser, Boden, Luft, Feuer: Zeigt uns ALLORIs "Korallenfang" (1600) in sinnenfreudiger Inszenierung zwar einen übervölkerten Strand, so scheint das Meer unerschöpflich und sind die Boote noch mit reichem Fang überladen. Reichen Fang anderer Art versprechen heutige Fischzüge: Zivilisationsreste, Müll, Abfälle, welche Mo EDOGA in der Skulptur "Huldigung an Vater Rhein" (1988ff.) zusammenschnürt.

Der Boden   als Lebenselement und offenes Ökosystem findet in DÜRERs "Das große Rasenstück" (1503) schon künstlerische Reflexion. Kazuo KATASEs "Erdmeer" (1985) hält auf einem Foto die endlose, einförmige und leere Ackerfläche fest, die im Vordergrund zwei überlange Ruderblätter überspannen. Komposition und Titel, der auch die unerfindlichen Launen des Meeres erinnert, rücken den anmaßenden menschlichen Bodengebrauch in den Blick.

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Luft:   William TURNERs geheimnisvolle Malerei "Schatten und Dunkelheit. Am Abend vor der Sintflut" (1843) verbeugt sich vor der Naturgewalt und mahnt andeutungsweise vor der Macht der Winde. Bernd LÖBACH-HINWEISERs Fahrrad-Aktion "Ein Würfel noch atembarer Luft" (1971) signalisiert inmitten quirligen Autoverkehrs augenfällig den industriellen Bruch hin zum unbesorgten Umgang mit der gefährdeten Ressource Luft.

Sonne/Feuer:   FRIANOs bekannter "Sturz des Ikarus" (1570/71) scheint als individuelles Scheitern noch ein Grenzfall, der die anderen aufmerken lässt. Die zeitgemäße Aktion "Feuerpause" (1993) Kain KARAWAHNs symbolisiert in dem Abfackeln eines Baumes neben einer spiegelnden Blechkarosse den Normalfall: Den verbrannten Baum sucht man im urbanen Raum vergeblich, denn es ist Feuerpause - die Städte können keine Waldbrände bieten, dafür um so mehr feuergefährliche Automobile vor monotoner Kulisse.

In der aktuellen "Klimakunst" (Künstler verzeiht mir bitte!) lassen sich kaum eindeutige Tendenzen ausmachen. Viele Beispiele überzeugen mit realitätsnahen Inszenierungen, symbolischer Verdichtung und meditativen Elementen. Die Rio-Ausstellung "Klima Global" (1992/93) präsentierte die verschiedensten Handschriften. Da installierte Pedro ROMERO das "Teatro Amazonas", ein erschlagendes Mix von hand- bis tellergroßen Figuren, Dingen, Produkten, Zivilisationsrelikten, Fotos und (Zeitungs)Dokumenten des Mit- und Gegeneinander indianischer und "moderner" Kultur. Antony GORMLEY "Amazon Field" bildet aus 25.000 kleinen gebrannten Tonfiguren einen beschwörerischen Großkreis, der auf den Naturstoff, auf menschliches Gestaltvermögen, auf denkbare Beschäftigungsinitiativen und auf massenhafte Arbeitslosigkeit verweist. Marina ABRAMOVICs "6 Quarzblöcke und Holzschemel" (1992) leben vom Kontrast des traditionellen vergänglichen mit dem neueren langlebigen Werkstoff im kontemplativen Szenario.

Zum Klimagipfel in Rio (1992) lief ein Wettbewerb "Rio-Grafiken" mit prägnanten künstlerischen Ergebnissen. Wenige Beispiele aus Fauna und Flora legen sich als Buchstaben zum Appell "LET THEM LIVE" (István GROSZ). Zwei Ahornblätter verknüpfen einerseits das lebensfrische Grün mit dem Naturkreislauf und andererseits verwelktes Braun mit dem Wachstum der Industriekultur (MIRAN). Ein anderes Poster verschmilzt "MAN + NATURE. THE FUTURE OF DEVELOPMENT", in dem es im Profil eines Hinterkopfs einen Wald ansiedelt, ein Schneckengehäuse zum Ohr formt, während grüne Blätter die Luft zum Atmen bilden (X.BERMUDEZ). Viele eingängige Bilder formen zumindest symbolische Alternativen, die - angesichts bedenklicher Krisenentwicklungen - Lebenslust auf Veränderung und bessere Klimafürsorge verheißen können.

Nach wie vor folgt der (westliche) Lebensstil aber suggestiven Leitbildern anderer Art. Sie finden ihren Ausdruck auch in tausendfachen Werbebildern. Eingefangen von BOURKE-WHITEs Foto "Während der Flutkatastrophe" (1937): eine bedürftige Menschenschlange vor riesiger Autowerbung "World`s highest standard of living. There`s no way like the american way". Das Mineralwasser "Glashäger" plakatiert seit 1994 unter dem Slogan "Eins der vier Elemente zu kaufen. Ein Wasser fürs Leben". Und seit November 1995, rechtzeitig zu unserer Bonner Klimakonferenz, wirbt Benson & Hedges mit einem qualmenden Vulkan und der Botschaft "Mutter Erde raucht doch auch". Das ist die dominierende Werbebotschaft: prima Klima, alles paletti...
Natürlich lassen sich viele gegenläufige Werbebeispiele ausmachen, so aus der Rio-Kampagne des BMU "Rio gegen Klimachaos" (1992), oder der SAT-Spot "TV for Nature" (1993) für eine Umwelt-Fernsehwoche. Schließlich noch ein letztes Beispiel für einfallsreichen Protest, der in Hannoveranischer Randlage die 30 Zone in eine "30 OZONER"-Straße (1992) verwandelte.

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Umweltbewusste Kunst, Werbung und Protest inszenieren nicht nur Störfälle, sie provozieren auch mit ironischem Hintersinn, werben mit "schöner" Natur und lustvollen Alternativen.
 

III.   Thesen zur Klimareflexion in der Kunst

1. Das göttliche Strafgericht ist menschenverachtend, es zwingt und demütigt den Menschen. Verbote, Zwänge, Gesetze allein können langfristig kaum naturverträgliches Verhalten absichern. Positive Visionen scheinen gefragt. Aber ist das Gegenteil vom Falschen richtig?

2. Denn positives Denken wird allerorten gefordert. Es beherrscht als Normativ auch die Umweltbildung, verbietet Weltuntergangsstimmung, Pessimismus - und schließlich Kritik überhaupt. Unter diesem Ausschluss des Negativen leidet einerseits der analytische Wirklichkeitssinn, andererseits wird positives Wunschdenken - als Ideologie - produziert.

3. Nur die Kunst erlaubt absolute geistige Freiheit, rücksichtslose Kritik, entlastetes Spiel, simulierte Praxis, das unbeschwerte Durchprobieren von Alternativen. Kunst ist Zukunftswerkstatt. Sie bietet offenen Dialog mit offenem Ausgang.

4. Kunst ist für die grüne Bewegung nicht nur ein weites, sondern auch ein fernes Feld. Wenn, dann möchte man sie eindeutig haben und zum Nulltarif. Künstlerische Diagnosen und Entwürfe vertragen keine Reglementierung. Die tradierten Vorzüge figürlich-gegenständlicher Kunst und fassbarer Aktionen besitzen erklärbare wahrnehmungspsychologische (und also auch wirkungsästhetische) Gründe. Sie liefern keinen Ausschlussgrund für andere Kunstrichtungen. Kunst, ich wiederhole mich, verträgt keinerlei Vorgaben. Und sie sollte angemessen bezahlt werden.

5. Manche künstlerische Aussagen sind kaum entschlüsselbar, andere recht illustrativ. Die qualitative Schwelle für gute "(Klima)Kunst" liegt vielleicht in dreierlei: erstens setzt sie optische Kontrapunkte zum allgegenwärtigen Bilderbrei, zweitens verschmilzt sie eine sinnfällige wie eigenwillige und originäre Gestalt, drittens initiiert ihre sinnliche Form geistige Anstöße.

6. Kunst(geschichte) lebte zu großen Teilen von Nachahmen und Erfinden geschönter Natur, gleichwohl liefert (bildende) Kunst ungezählte umweltkritische Befunde menschlicher Anmaßung und Raubbaus anhand glatt gebügelter Landschaften mit geschliffenen Bergen, durchschnitten von Kanälen, überzogen mit Schienen und Straßen.

7. Darüberhinaus wartet Umweltkunst nicht nur mit ernsten biblischen Bildern (Sintflut, Arche, Apokalypse) und neuen Motiven (Ozon, Klimakatastrophe etc.) auf, sie pflegt in ihren besten Beispielen Ironie (bis schwarzen Humor).

8. "Klimakunst" begann mit der Spurensuche menschlicher Natureingriffe, schreitet über schrille Katastrophenszenarien zum allumfassenden Erdmotiv und ermöglicht so globalästhetisches Wahrnehmen und setzt kunstgemäße Handlungsimpulse. Konkrete Ab-Bilder und Warn-Bilder sind nicht überholt. Doch verbreiten sich symbolische Figuren, in der sich Mensch und Natur vereinen (siehe Rio-Grafik von X.BERMUDEZ) oder Kunstfälle, in denen zur praktischen Landschaftsgestaltung übergegangen wird. Um praktische Alternativen bemühen sich z.B. die ökologiebewusste Kunst des Baumpaten Ben WARGIN, die von Bea VOIGT initiierten Kunst-Kultur-Ökologie-Projekte, HARRISONs Muldeauen-Konzept zur Revitalisierung vom Landschaftsraum in Bitterfeld, oder Teile der Landschaftsplanung von Karl GANSER zur Gestaltung des Emscher Park im Ruhrgebiet.

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9. Die Wachstumsprämissen der Wirtschaft, die weitgehende Privatisierung der Gewinne, die Vergesellschaftung der ökologischen Risiken und die Individualisierung der Verantwortung (die von Umweltbildung mit forciert wird) führt zu einem gewaltigen Problemstau. Verschuldet durch vorsätzliche (wirtschafts)politische Abwehr des anstehenden Wandels ist ein unerträglicher Reformstau entstanden. Das "Prinzip Hoffnung" aber lebt. In jeder Dramaturgie folgt dem retardierenden Moment ein überraschender Wendepunkt.
 All diesen Symptomen ist "Umweltkunst" auf der Spur, sie beleuchtet - im übertragenen wie unmittelbaren Sinne - das soziale und städtische Kleinklima, die unterschiedlichen Klimazonen und das Weltklima. Engagierte Kunst erfasst gesellschaftliche Bewegungstendenzen, pointiert sie, sucht nach lebensfähigen Mustern. Das geschieht ohne die Rhetorik der Werbung, ohne den Imperativ des Kaufens, ohne den Leerlauf politischer Sprache.

10. Kunst verlangt als unabhängige kommunikative Wetterwarte Bürgerbeteiligung, eben Dialog. Ihre Faszination rührt nicht nur vom inhaltlichen Tabubruch her, sie elektrisiert als Gefühlslokomotive und Herzensbrecher, ist Trauminsel, Zeitbeschleuniger und Notbremse zugleich. Kunst braucht intensiven Kontakt, also Zeit, Zuwendung, Zärtlichkeit, angemessene Präsentation. Auf etliches wäre zu verzichten - auf Kunst nicht. Hier hat die Umweltbewegung großen Nachholbedarf...

11. Was aber bewirken umweltkritische Leit-Bilder und Aktionen angesichts der Magie der Hor(r)orskope, der Faszination der Werbung, des Blendwerks der Medien und des Schwarzen Peter im öffentlichen Haushalt, der zumeist im ärmlichen Kulturressort landet? Bilder können nur durch Bilder ersetzt werden. Umweltkritische Kunst induziert alternative Leit- und Welt-Bilder.
Das erfordert eine mindestens zweifache Gratwanderung: Erstens professionelle Kunst-/Werbemittel ohne in plakative (Anti)Werbung abzugleiten, und zweitens eine gewisse Quantität, gepaart mit Beharrungsvermögen, ohne am Umsatztropf zu hängen. Viele Künstler bringen sich in Wettervorhersage und -beobachtung ein - ob als individuelles Kunstunternehmen (siehe Bernd LÖBACH-HINWEISER) oder als globales Netzwerk (siehe Artists United for Nature). Jede qualifizierte Kunstsicht wird gebraucht.

12. Zwischen meterologischer Station und Kunst bleibt ein Unterschied bestehen. Während die einen immer mehr Instrumente anhäufen (Anemometer, Barometer, Hygrometer, Pyrheliometer, Radiometer, Thermometer,... Wettersatellit) und sich am Meßbaren halten, loten die anderen auch das Nichtmessbare, Unsagbare, Unsichtbare, das Nichtwissen, unsere Ansprüche und Ängste aus. Und steckt nicht in vielen kleinen Gedichten, Bildern oder Theaterstücken mehr an Wahrheit und Zukunftsdiagnose als in endlosen Computertabellen? 

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Bilderanhang: (kleine Auswahl der Dia-Reihe)
-René MAGITTE, 1940: Naturschauspiel
-Mo EDOGA, 1988ff.:  Huldigung an Vater Rhein
 Repro aus: ZEITmagazin 25/1992 (Originalfoto: Wolfgang NEEB)
-Kazuo KATASE, 1985: Erdmeer
 Repro aus Kunst + Unterricht 103/1986 (Originalfoto: Sammlung NEUFELDT, München)
-Bernd LÖBACH-HINWEISER, 1971: Ein Würfel noch atembarer Luft
 Repro aus Katalog: Bernd-Löbach-Hinweiser. 20 Jahre Umweltkritische Kunst. 1970 - 1990.
-Kain KARAWAHN, 1993: Feuerpause
 Postkarten: Kain KARAWAHN, Berlin
-Antony GORMLEY, 1992:  Amazon Field (25.000 Tonfiguren)
 Foto: LEBUS (UMWELTgut greifswald)
-Xavier BERMUDEZ, 1992:  MAN + NATURE. THE FUTURE OF DEVELOPMENT.
 Repro aus: Rio-Grafiken 1992: 30 Posters on environment and development. The United Nations Rio-Conference `92.
-Werbung Glashäger, 1994: Eins der vier Elemente zu kaufen
 Foto: LEBUS (UMWELTgut greifswald)
-Werbung BENSON & HEDGES. SIMPLY GOLD, 1995: MUTTER ERDE RAUCHT DOCH AUCH.
-Schilderprotest, 1992: 30 OZONER
 Foto: LEBUS (UMWELTgut greifswald)
[In: Bürgerbeteiligung und lokale Klimaschutzpolitik. Hrsg. von Theo BÜHLER. Bonn: Eigenverlag Wissenschaftsladen Bonn, 1996. S. 217 - 222]

AutorDr. Lebus   (1995)  

 

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