Zum Kunstkonzept von Arnold
Hauser (1892-1978) - © Dr. Lebus, Greifswald - Germany
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Zum Kunstkonzept Arnold HAUSERs (1989/90) |
Ästhetiker
und Kunstwissenschaftler unseres Landes greifen seit längerem - vornehmlich bei
der Klärung kunsthistorischer Sachverhalte - auf Werke Arnold Hausers (1892-1978)
zurück. Der nachhaltige Eindruck, den 1953 die Sozialgeschichte der Kunst
und Literatur zunächst hervorgerufen hatte, verblasste jedoch mit der Zeit.
Dennoch kann ihre 1987 erstmalig in der DDR erfolgte Ausgabe auf eine
entsprechende Nachfrage und damit auch auf vorhandene Lücken
kunstgeschichtlicher Überblicksdarstellungen verweisen. Der namhafte
Kunsthistoriker und Kunstsoziologe bleibt somit im
Gespräch!
Seine
Schriften haben seit den fünfziger Jahren in den kunst- und
literaturwissenschaftlichen Diskussionen, insbesondere in der BRD, eine
zunehmende Rolle gespielt. Die damals in den bürgerlichen Kunstwissenschaften
Westeuropas dominierenden werkimmanenten Interpretationsverfahren liefen
teilweise auf eine Entpolitisierung von Kunst hinaus und favorisierten einen
ästhetizistischen Hedonismus. In Abgrenzung zu diesen Tendenzen rückte Hauser
in seinen Arbeiten das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft in den
Mittelpunkt. Er hielt die "Stunde der soziologischen Deutung" für
gekommen.
Die
Außenseiterrolle der zweibändigen Sozialgeschichte in den frühen
fünfziger Jahren ist aber nicht zu übersehen. Georg Lukács resümierte in einem
Radiogespräch mit Hauser: "Wenn ich nun von Ihrem Werk sprechen darf, so
betrachte ich es als eines seiner ungewöhnlichen Verdienste, dass es inmitten
dieser überwältigenden neopositivistischen Strömung in einer beträchtlichen
Anzahl von Soziologen und Historiker den schwindenden Sinn für die wirklichen
Zusammenhänge aufrechterhielt. Ob dies nun auf eine ausgesprochen marxistische
Art geschieht oder nicht, halte ich für nebensächlich."
Für viele Leser wirkte die Sozialgeschichte wie eine
"Offenbarung... und öffnete wieder den Blick für historische
Fragestellungen." Die damalige Kritik in der BRD reagierte auf Hausers
Werk keineswegs einhellig. Theodor W. Adorno und Max Horkheimer lobten die Sozialgeschichte
als ein verbindliches Zeugnis soziologischer Kunstanalyse und deren
glückliche Gesamtdarstellung. Martha Mierendorff und Heinrich Tost hingegen
zählten sie zu den vulgärsoziologischen und ideologischen Arbeiten des
Marxismus. Überwiegend wurde der materialistische Ansatz Hausers ignoriert oder
abgelehnt, selbst im Ausland fanden die Vertreter eines sozialgeschichtlichen
Konzepts wie Hauser und Friedrich Antal keine liberalere und tolerantere
Behandlung, konstatiert Norbert Schneider.
Der Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, die auf
etwa 1000 Seiten die Entwicklung der europäischen Kunst bis zur Entstehung des
Tonfilms nachzeichnet, folgten weitere Arbeiten. Hauser ist eben nicht nur der
Verfasser der allbekannten Sozialgeschichte, sondern auch umfangreicher
theoretischer Schriften, die zwar weniger zur Kenntnis genommen werden, für ein
Gesamtverständnis aber unverzichtbar sind. Gewissermaßen als Ersatz für die
fehlende Einleitung zur Sozialgeschichte erschien 1958 die Philosophie
der Kunstgeschichte. Sie ermöglicht einen ersten genaueren Einblick in
Hausers Methodologie. Sein Wunsch, ein spezielles kunstgeschichtliches Problem
allseitig zu untersuchen, führte 1964 zur Monographie Der Manierismus. Die
Krise der Renaissance und der Ursprung der modernen Kunst. Die Soziologie der
Kunst legte der Zweiundachtzigjährige 1974 vor, "im Glauben, die erste
umfassende Erörterung des Gegenstandes unternommen zu haben." Nähere
Einsichten in den persönlichen Lebensweg und die Gedankenwelt Hausers erlaubt
der 1978 veröffentlichte Band Im Gespräch mit Georg Lukács, der von
Hauser noch redigiert wurde, aber postum erschien.
Dass sich
die Arbeiten Arnold Hausers in zwei Richtungen klassifizieren lassen, wird
bereits erkennbar. Die Sozialgeschichte und das Manierismusbuch
sind stärker kunsthistorisch angelegt und untersuchen die konkrete historische
"Seinsgebundenheit" von Kunst. Einen
ausgeprägt theoretisch-methodologischen Charakter tragen dagegen die Philosophie
der Kunstgeschichte, in der er seine grundlegenden philosophischen und
kunsttheoretischen Positionen erläutert, sowie die Soziologie der Kunst, die
als selbständige Theorie einer Kunstsoziologie systematische Kapitel mit
historischen Exkursen verknüpft. Hier findet die von ihm praktizierte Methode
ihre letzte theoretische Zusammenfassung.
Auf
der Grundlage der wissenssoziologischen Konzeption Karl Mannheims verarbeitete
Hauser eine Vielzahl philosophischer und einzelwissenschaftlicher Einflüsse. In
Anlage und Terminologie gründet sich seine kunstsoziologische Theorie auf die Mannheimsche Auffassung, dass die Soziologie erstens der
"Standortgebundenheit" und "Ideologiehaftigkeit" der
geistigen Gebilde nachzugehen hat, zweitens die vorhandenen
"Partikularsichten" berücksichtigen muss, drittens deren
"Zusammenschau" bzw. "Verklammerung" zu leisten hat, was
viertens die "Entscheidung zur dynamischen Mitte" voraussetzt
und somit eine politische Parteinahme ausschließt. Hauser verstand seine
Soziologie der (westeuropäischen) Kunst als integrierende "Zentralwissenschaft",
die - ausgehend von der Erkenntnis, dass die Menschen "ein wesentlich
gesellschaftliches Dasein führen" und "im Grunde mit der Lösung von
identischen, miteinander eng verbundenen Aufgaben ringen" (SdK, S.
16 f.) - im Sinne der Wissenssoziologie zur allgemeinen Synthese selbst
diametraler Ansichten berufen ist. Ihr Ausgangspunkt liegt im totalen
Ideologiebegriff. Erfüllt wird ebenfalls Mannheims Forderung, sich
entschiedener von der reinen Stilgeschichte loszusagen, um sich neben der Motiv-
und Themengeschichte der allgemeinen Ideengeschichte, politischen Geschichte
und Wirtschaftsgeschichte zuzuwenden.
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Hauser
rückt dabei den von bürgerlichen Kunstwissenschaften vernachlässigten
sozialgeschichtlichen Gesichtspunkt in das Zentrum seiner Theorie, wobei er
sich maßgeblich auf den dialektischen und historischen Materialismus beruft.
Gemäß der Wissenssoziologie verhindert nur ein "dynamischer Relationismus" ideologische und theoretische
Einseitigkeiten, diesen Anspruch teilt Hauser als "ungebundener outsider". (vgl. PdK,
S. X) Nicht nur die objektive Existenz entgegengesetzter
ideologischer Standpunkte zwingt ihn zu Relativierungen, sondern ebenso die
konkrete Komplexität und Mehrdeutigkeit von Kunst sowie die sozialen
Widersprüche (des kapitalistischen Systems). In der Theorie dienen Hauser
vielfach dualistische Modelle zum Auffangen von Widersprüchen, gepaart mit
einem begrenzten Relativismus, der sich stilistisch in der bewusst gewählten,
essayistischen Schreibweise und syntaktisch in dem häufigen Gebrauch von
Relativ- und Konzessivkonstruktionen niederschlägt. Das scheint ein
wesentliches Funktionsmoment für die kontroverse Rezeption des Hauserschen
Werkes zu sein. Förmlich als Motto seiner Arbeiten steht die Aussage,
"dass sieh von der Kunst kaum etwas behaupten
lässt, wovon nicht auch das Gegenteil behauptet werden könnte" (SdK,
S. 574).
Die
vorliegenden Beurteilungen des Hauserschen Schaffens widersprechen sich in
auffälliger Weise. Hinter den unterschiedlichen Wertungen verbergen sich
unterschiedliche Auffassungen von einer Kunstsoziologie, nicht minder
reflektieren sie die Schwierigkeiten bei der Analyse des realen Kunstprozesses
als auch tatsächliche Widersprüche in Hausers Theorie. Jürgen Scharfschwerdt
begriff diese nur "schwer präzisierbare kunstsoziologische
Konzeption" als eine "letzte große Sinnsuche und Sinngebung der
bürgerlichen Gesellschaft." Ekkehard May charakterisierte Hauser als den
"unbestreitbar populärsten Mentor interdisziplinärer Arbeit."
Verurteilte beispielsweise Lászlo Barlay
Hausers Schriften in schärfster Form als antimarxistisches Produkt und
vollkommene theoretische Fehlgeburt, wurden diese Arbeiten von anderen "zu
den fortschrittlichsten, dem Marxismus am nächsten stehenden
Versionen der bürgerlichen Soziologie" gerechnet.
Hausers
Publikationen vermitteln zahllose Anregungen und überraschende Einsichten zum
Problemfeld Kunst und finden international Verbreitung. Die Sozialgeschichte...
als seine zweifellos bekannteste Arbeit liegt gegenwärtig in etwa 20 Sprachen
vor. In der BRD belief sich ihre Gesamtausgabe mit der neunten Auflage 1983 auf
62.000 Exemplare. Solche Auflagenziffern signalisieren zumindest den
potentiellen Einfluss Arnold Hausers. Zu berücksichtigen sind ferner seine
jahrelange Lehrtätigkeit und die Übernahme von Gastprofessuren an den
Universitäten Leeds (Großbritannien), Brandeis und Ohio (USA) sowie am Londoner
Hornsey College of Art.
Darauf anspielend meint Zoltán Halász im positiven
Sinne, er habe eine eigene "Schule" begründet.
Alphons Silbermann wiederum polemisiert nachdrücklich gegen unkritische
Adepten, "die sich soziologisch gebärend der ´Hauserschen Methode´
angeschlossen haben" und wertet dessen Veröffentlichungen als ein
"grenzenloses Gemisch aus Sozialgeschichte, Philosophie, Psychologie,
Ästhetik und marxistischer Ideologie". Ungeachtet solcher Einwände
spiegelt sich Hausers wissenschaftliche Bedeutung unter anderem in der
Tatsache, dass er uns bereits ein Jahr nach seinem Tode (!) - übrigens in einem
von Silbermann herausgegebenen Sammelband (!) - als "Klassiker der
Kunstsoziologie" anempfohlen wird.
Ein
Anfang in der kritischen Auseinandersetzung mit Arnold Hausers Theorie ist in
unserem Lande gemacht. Daran anknüpfend versucht der vorliegende Beitrag, trotz
gegenwärtiger Schwierigkeiten bei der Diskussion sozialgeschichtlich
intendierter Forschungslinien, einen Einstieg in sein Kunstkonzept zu geben.
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Kunst und Gesellschaft
Wenn
Arnold Hauser in der Einleitung der Philosophie der Kunstgeschichte mit
Blick auf die Vertreter einer völlig autonomen Kunstbetrachtung anmerkt,
"dass die Bewahrung des Geistigen vor jeder Berührung mit dem
Materiellen... zumeist nur eine Form der Verteidigung von privilegierten
Stellungen ist" (PdK, S. 2), kann das als
Reaktion auf die an der Sozialgeschichte geäußerten Vorbehalte gelesen
werden. Hauser ist bestrebt, sowohl die Einseitigkeiten der Diltheyschen
Geistesgeschichte als auch die kurzschlüssige Direktheit mechanisch-rnaterialistischer Theorie zu überwinden. So gelangt er zu
einer materialistischen Konzeption, die davon ausgeht, "dass jede
geschichtliche Entwicklung weitgehend von wirtschaftlich-gesellschaftlichen
Konstellationen abhängt und ... dass die Ideologie,
in der die wirtschaftliche Lage, der gesellschaftliche Standort, die
politische Macht und der geistige Einfluss einer Klasse, Gruppe oder sonstigen
Interessengemeinschaft zur Geltung kommen, den Unterbau und damit die
Direktive jeder Art von Kulturgebilden darstellt."
Kunst
fasst Hauser als ein vielschichtiges soziales Phänomen. Bei seiner Erklärung
des Verhältnisses von Kunst und Gesellschaft werden drei Argumentationslinien
sichtbar, die sich bewusst aufeinander beziehen, fortsetzen und
Ganzheitlichkeit anstreben.
Das
erste Modell ist noch stärker mechanischen Vorstellungen verhaftet und
lässt Zweifel am ganzheitlichen Lebensprozess aufkommen, es will aber die
Komplexität und relative Selbständigkeit der Kunstentwicklung hervorheben. Die
Komplexität des Kunstwerks widerspiegelt nach Hausers zentraler These,
"dass es im Kreuzungspunkt verschiedener Motivationsreihen liegt. Es ist
dreifach - psychologisch, soziologisch und stilgeschichtlich - bedingt." (PdK, S. 13) Bereits im Handwörterbuch der Soziologie
von 1931 erörtert Walter Ziegenfuss die nach seiner
Meinung von Hippolyte Taine, Jean-Marie Guyau und
Wilhelm Hausenstein entworfenen "drei systematischen Leitlinien" der
Kunstsoziologie und deren akzentuierte Ausrichtung auf Milieu, Psychologie und
Stil. Für Hauser sind zwar andere Bezugspersonen maßgebend, aber analoge
Leitlinien, deren Zusammenfügung er sich mit der These von der dreifachen
Bedingtheit von Kunst verpflichtet fühlt.
Sein
soziologisches Interesse wurde im Budapester "Sonntagskreis" durch
Lukács geweckt, durch Anregungen Max Webers, Werner Sombarts,
Georg Simmels und Ernst Troeltschs orientiert und
schließlich durch marxistische Gedanken beeinflusst. Zudem sammelte Hauser
mannigfaltige Kunsterfahrungen bei intensiven, praktischen und theoretischen
Kunststudien in mehreren Ländern. Auch durch die langjährige Tätigkeit im
österreichischen und englischen Filmgeschäft erschloss sich ihm Kunst als ein
soziales Phänomen.
Psychologische
Fragen diskutiert Hauser vornehmlich in Auseinandersetzungen mit Sigmund Freuds
Theorie. Stilfragen werden im Dialog mit der so genannten Wiener Schule,
namentlich mit Bezug auf Max Dvorak und Alois Riegl
geklärt, unter kritischer Einbeziehung der formanalytischen Kunsttheorie
Heinrich Wölfflins.
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Die
soziologische Kunstanalyse zielt auf ökonomische und ideologische Momente und
übergeht nach Hausers Ansicht die psychologischen Motive des Kunstschaffens.
Kunst sei aber weder nur "soziologischen Dokument" noch bloßer
"psychologischer Befund", denn die ästhetische Eigenart von Kunst
entspringe der "sphärenimmanenten, ästhetischen Sinnschicht", der
immanenten Formstruktur. Natürlich kritisiert Hauser damit die enge
Begrenztheit der verschiedenen wissenschaftlichen Zugänge zur Kunst. Dass er
von der Eigengesetzlichkeit gleichberechtigter und unabhängiger Motivationsreihen
(Fäden/Wirkungsketten) nicht abgeht und allen gesellschaftlichen Erscheinungen
einen "eigenen, kohärenten und konsistenten Sinn - eine Rationalität"
und "eigene Seinsgründe" zubilligt (SdK,
S. 73 f. und 84), könnte den verkündeten sozialgeschichtlichen Ansatz in Frage
stellen. Im Rückgriff auf den Neukantianismus interpretiert Hauser den
dialektischen Determinismus als einen "funktionalen Zusammenhang",
der sich auf völliger Wechselwirkung, unauflösbarer Interdependenz bzw.
stetiger Korrespondenz konstituiert. Jedes geschichtliche Ereignis, jedes
Kunstwerk habe unendlich viele Determinanten, nur darum sei die Frage nach
einem "Kausalnexus" sinnlos.
Vielleicht
ist Kritik angebracht, denn Hauser vernachlässigt die Arbeit als den grundlegenden
Stoffwechselprozess zwischen Mensch und Natur unter
formationstypischen Besitz- und Aneignungsverhältnissen, der in letzter Instanz
das gesamte gesellschaftliche Leben bestimmt. Viel gewichtiger und anregender
aber ist die in seinen Werken vorgeführte Sichterweiterung auf die tatsächliche
Vielfalt der Zusammenhänge von Kunst, die sich berechtigt gegen lineare
Kausalität wendet und dem dialektischen Beziehungsgeflecht des gesamten
Kunstprozesses nachspüren will.
Nach Mannheim kann die "Verklammerungsproblematik von jedem beliebigen
Punkte, von jeder beliebigen Disziplin her aufgerollt werden." Hauser
besteht auf einen sozialgeschichtlichen Ansatz und betont, dass wir bei der
Analyse der Zusammenhänge nicht von den wirtschaftlichen Verhältnissen absehen
können. Dabei wird ein mechanischer Standpunkt kritisiert, welcher "in der
Kunst eine unmittelbare Widerspiegelung der wirtschaftlichen und sozialen
Verhältnisse" erblickt (PdK, S. 297),
ebenso das fragwürdige Unterfangen, Kunst auf sexuelle Symbolik oder eine bloße
Formgeschichte zu reduzieren. Geschichte, Kunstgeschichte und individuelles
künstlerisches Schaffen erklärt Hauser, wie das Verhältnis von Kunst und
Gesellschaft, gleichlautend: Alle gesellschaftlichen Erscheinungen bilden
demnach eigenständige Kausalreihen und "befinden sich in einer
ununterbrochenen, nach der Art einer Kettenreaktion sich fortpflanzenden,
gegenseitigem Abhängigkeit (SdK, S. 98). In diesem Sinne bestehen Kunst
und Gesellschaft "als zwei disparate, wenn auch nicht isolierte Realitäten
nebeneinander" (SdK, S. 100), deren Zusammenhang am
prägnantesten bei Stilumbrüchen zum Vorschein kommt.
Der
Stilwandel bildet für Hauser das Hauptproblem der Kunstgeschichte, gerade hier
sieht er die Aufgaben und Möglichkeiten der Soziologie, um das Verhältnis von
außer- und innerkünstlerischer Entwicklung zu erhellen. Zäsuren in der
Kunstgeschichte sind, wie Hauser insbesondere in der Sozialgeschichte
überzeugend darstellt, primär das Resultat veränderter sozialer Bedingungen.
Eine mitunter von ihm behauptete Dualität von Kunst und Gesellschaft wird in
seinen konkreten sozialgeschichtlichen Untersuchungen zugunsten einer
ganzheitlichen Betrachtungsweise aufgehoben.
Das
zweite Argumentationsmodell untersucht die Ideologiefunktionen von Kunst. Im
Gegensatz zu verkürzenden gnoseologischen als auch formalistischen
Kunsttheorien erkundet Hauser die aktive und vielgestaltige Rolle der Kunst in
der Gesellschaft. Angesprochen wird ein breitflächiges Funktionsspektrum.
Kunst(werke) betrachtet Hauser - in den verschiedensten Zusammenhängen - als
geistige Botschaft, Deutung des angeblichen Chaos des Lebens, parteiliche Waffe
im Daseinskampf, Anregung zur Aktion und Opposition, geistige
Lebensbewältigung, Entschädigung versäumten Lebens, Abbild, Sinnbild, Vorbild,
als Trösterin und Traumbild, Gesellschaftskritik und
Beschwichtigungsinstrument, Ausdruck und selbstgenügsame Form,
Wirklichkeitsbewältigung und Wirklichkeitsersatz, ideologietragend und
ideologiebildend, als "eine Widerspiegelung der Wirklichkeit" (SdK,
S. 339).
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Alle
Funktionen konzentrieren sich für Hauser schließlich in der Sinnfrage:
"Die Idee der Katharsis, um die sich die Tragödie dreht, ist im Sinne der
Mahnung ´Du musst dein Leben ändern' der Drehpunkt aller wirklich maßgebenden
künstlerischen Wirkung." (SdK, S. 348) Rilkes Motiv bekräftigend,
bleibt, auch unter dem Einfluss Kantscher Ethik aus der Zeit des
"Sonntagskreises", der individuelle und gesellschaftliche
Sinnanspruch als weltanschauliches und praktisches Problem einer
klassengeteilten Gesellschaft und entfremdeter Individuen allerdings offen.
Das
Ideologieproblem begreift Hauser als ein Grundprinzip von Kunst. Unter
funktionalem und substantiellem Gesichtspunkt wird die Rolle von Ideologie zum
einen in der künstlerischen Produktion, Distribution und Rezeption, zum anderen
als gestalteter Gehalt untersucht. Für ihn ist jede Kunst aufgrund des sozialen
Standorts des Künstlers Ideologie und parteiisch angelegt. Wenn mit Hauser aber
jede Ideologie "falsche Bewusstsein" und "wesentlich
Selbsttäuschung" (SdK, S. 240) sein soll, erhebt sich die Frage
nach dem Wahrheitsgehalt von Kunst. Wahrheit in gesellschaftlichen Belangen
bindet er in Nachfolge lebensphilosophischer und neukantianischer Impulse an
subjektive Deutung, an Interpretation. Er gibt vor, sich dabei auf Kant und auf
Marx beziehen zu können. Spätestens bei ihnen habe sich das Interesse vorn
Objekt zum Subjekt verlagert, und Erkenntnis fungiere nicht mehr als getreues
Abbild, sondern als standortgebundene Ein- und Entstellung. Die Partikularität
und Relativität des Denkens, die individuelle Sicht bedarf in der Kunst keiner
besonderen Rechtfertigung, und so vollendet Hauser: "ihre perspektivische
Sicht ... bedarf keiner Korrektur ... Sie ist wahr, nicht trotz, sondern dank
ihrer ideologischen Wesensart, ihrer unlösbaren Verwicklung in die
Praxis." (SdK, S. 243) Nachfolgend kennzeichnet Hauser den
"Wunsch nach Ideologiefreiheit" als illusionären Wunsch nach einer
"geschichtsjenseitigen, übernatürlichen, ungefährdeten Welt der absoluten
und ewigen Werte" und relativiert zugleich die These vom generellen
"falschen" Bewusstsein deutlich. Ideologisches Bewusstsein enthalte
immer "positive Elemente" und sei nicht lediglich "Irrtum,
Verhüllung und Täuschung". (SdK, S. 261)
Im
dritten Modell wird diese Korrektur - allerdings erst in der Soziologie
der Kunst - durch die These von der "intensiven Totalität der
Kunst" in Anlehnung an Rickert und Lukács gestützt. Die "mikrokosmische
Exklusivität", die "gesättigte Sinnlichkeit und keiner Ergänzung
bedürftige Vollständigkeit" der Kunst widerspiegele die Lebenstotalität
"am vollkommensten, lebendigsten und eindringlichsten". (SdK,
S. 85, 4) Das künstlerisch-ästhetische Erlebnis wird somit zur verlässlichsten,
weil totalen Erkenntnisform erhoben. Dem Subjektivismus des individuellen
Kunsterlebens weiß Hauser durch die Objektivität der Kunstwerke Grenzen
gesetzt. Zwar betrachtet Hauser - gemäß seiner These vom "Doppelwesen"
des Menschen - den Rezipienten hier nur als ein "psychologisches
Subjekt", klammert beim "Totalitätserlebnis des ganzen Menschen vom
Ganzen des Lebens" (SdK, S. 4) dessen soziales Wesen keineswegs
aus. Den von Hauser benannten Gegensatz zwischen angeblich rein objektivem
künstlerischem Wert und rein subjektiver Wertung behebt seine
Totalitätskategorie, die Sein und Bewusstsein, Subjekt und Objekt, Theorie und
Praxis verschmilzt. Der anfangs unterstellte Subjekt-Objekt-Dualismus
verschwindet und wird als eine dialektische Subjekt-Objekt-Beziehung
verstanden, auf deren Grundlage der Wahrheitsanspruch von Kunst als Anspruch
auf (individuelle) Relevanz definiert wird. (SdK, S. 86)
Hausers
Erörterung der Relevanz und Sinnfrage von Kunst berührt sich meines Erachtens
mit neueren theoretischen Konzeptionen von John Erpenbeck (Widerspiegelung von
Wertungen/Wertungsadäquatheit) und Michael Franz (Sinnbezug von Kunst). Ein
wesentlicher Unterschied liegt im veranschlagten Handlungskriterium. Erpenbeck
misst die die "Verhaltensadäquatheit" ermöglichende
"Wertungsadäquatheit" an der "historisch mögliche[n]
Übereinstimmung mit den - erkannten oder unerkannten! - objektiven Gesetzen von
Natur und Gesellschaft." Für Franz ist individuelles Handeln bereits
"in dem Maße sinnvoll, wie es, gemessen an geschichtlich eingebundenen,
sozial relevanten Problemen des Lebens, Lösungen sucht, die die humanen
Lebensmöglichkeiten sichern helfen und erweitern." Unhaltbar wäre die
Annahme, Franz genüge ein kurzlebiger Pragmatismus. Bei Hauser hingegen sind
fatalistische Züge zu beobachten, wenn es beispielsweise heißt, die
"moralisch harte Probe" bei der Kunstaneignung verlange die
"Hinnahme der Nöte des Lebens und Versöhnung mit ihnen." (SdK, S.
594)
Ähnlich
Adornos Reduktion von Kunst auf das "Gedächtnis akkumulierten
Leidens" entspringt für Hauser Kunst dem "Jammer und Elend, und statt das Leid und die Not der Menschen zu verringern,
steigert sie ihre Leidensfähigkeit" (SdK, S. 715). Eine gewisse
Resignation ist Hausers objektivistischem Geschichtsverständnis verschuldet.
Angesichts der europäischen Nachkriegsentwicklung nach 1945 verstärkte sich
seine Rat- und Ausweglosigkeit, was sicherlich dazu führte, dass sein
Objektivismus und sein zutiefst humanistisches Ideal zunehmend kollidierten.
Darum konnte er kein verbindliches Kriterium für die von der Kunst
eingeforderte Handlungsfähigkeit benennen. Das verhinderte einerseits eine
normative Kunsttheorie und umging andererseits in der Theorie die Klassenfrage.
In den historischen Untersuchungen beleuchtet Hauser auch politökonomische
Klassenverhältnisse.
Kunst
ist für Hauser nicht nur gesellschaftlich bedingt, sondern selbst Teil des
Gesellschaftsprozesses. Dennoch wurde seine These, der "ästhetische Wert
hat weder ein soziologisches noch ein psychologisches Äquivalent" (SdK,
S. 57) oft missdeutet. Sie zielt in erster Linie gegen die Annahme einer
direkten Vermittlung zwischen politischem Standpunkt und künstlerischer
Qualität. Sie besagt des Weiteren, "die künstlerische Wirkung hat eine
ästhetische Schwelle, ein formales Mindestmaß". (SdK, S. 341) Und
nicht zuletzt hebt Hauser auf diese Weise die an das Formgebilde gebundene
Eigenart des Ästhetischen in der Kunst heraus.
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Zum Kunstbegriff
(1)
An den Ausgangspunkt setzt Hauser, der autonomieästhetischen Orientierung
deutscher Klassik folgend, das einzelne Kunstwerk als ein optisch bzw.
akustisch organisiertes Formgebilde. Der Totalitätscharakter jeder
"authentischen Gestalt", die "Einheit und Ganzheit" der
künstlerischen Schöpfungen liefern ihm ein entscheidendes Kriterium für Kunst (SdK,
S. 389, 454), die er als eine sowohl "autonome wie auch engagierte
Stellungnahme zur Welt und Wirklichkeit" (SdK, S. 495) erforscht.
Gemäß
der Logik des sozialgeschichtlichen Herangehens erfährt der Kunstwerkbegriff,
weil die wirklich reale Kunstentwicklung reflektiert werden soll, bei Hauser
eine deutliche Problematisierung. Die notwendige Erweiterung jenes
Kunstbegriffs - historisch-funktional, formal und inhaltlich begründet erfolgt
in mehrfacher Hinsicht. Hauser schiebt die Grenzen kunstgeschichtlicher
Disziplinen nach außen. Mit sicherem Gespür und sensiblem Realitätssinn
reagiert er somit auf die tatsächliche Kunstentwicklung.
(2)
Das "Kunstwerk an sich, das künstlerische Produkt als selbstgenügsames, in
sich geschlossenes, formgerechtes Gebilde stellt in Wirklichkeit eine
Unterbrechung des lebendigen ästhetischen Prozesses dar", bemerkt Hauser.
(SdK, S. 3) Da für ihn Kunst auch wesentlich als "Kommunikation und
Information" funktioniert (SdK, S. 459), wird folglich der
Zusammenhang von Kunstproduktion, -werk und -rezeption als Kunstprozess wichtig.
Von der Verabsolutierung des künstlerischen Schaffensprozesses als auch von
rezeptions- bzw. wirkungsästhetischen Richtungen rein empirischer
Kunstsoziologie (etwa Silbermanns) distanziert sich Hauser direkt und
bezweifelt den Wert statistischer Auskünfte (vgl. SdK, S. 470, 639 f.).
Die maßgebende Aufgabe einer Kunstsoziologie besteht, so Hauser, in der
"soziologischen Analyse und Definition vollwertiger künstlerischer
Bestrebungen und Leistungen" (SdK S. 622).
(3)
Den Begriff der Kunstverhältnisse gebraucht Hauser nicht explizit,
wenngleich sie im Zentrum seiner Forschungen stehen. Faktenreiche
Untersuchungen zu den Mittlern, Institutionen der
Vermittlung, Kunsthandel, Kunstkritik, zur sich wandelnden Stellung des
Künstlers und der Kunstwerke im Verlaufe der Geschichte belegen, dass das
jeweilige Kunstwerk unter konkreten Kunstverhältnissen produziert und
angeeignet wird und mit den gesellschaftlichen Verhältnissen seinen aktuellen
Wert und Sinn verändert. Diese Aufgabe stellt und bewältigt Hauser in der Sozialgeschichte
in überzeugender Weise, wobei er das konkrete Kunstwerk nicht aus den Augen
verliert. Er ist sich der verschiedenen semantischen Ebenen des Kunstbegriffs
(Kunstwerk einzeln und allgemein, Kunstgenre, Kunstgattung, Kunstensemble,
Kunstprozess, Kunstverhältnisse) durchaus bewusst.
(4)
Von grundsätzlicher Bedeutung, weil die horizontale stilgeschichtliche durch
die vertikale Sicht nach "Querschnitten" ergänzend, ist Hausers
Entwurf einer "Kunstgeschichte nach Bildungsschichten" (SdK,
S. 581 ff.). Dabei geht er davon aus, dass der Bildung als sozialem
Integrationsfaktor im Bereich der Kunst größere Bedeutung zukommt als der
Klassenzugehörigkeit it. Etwa ab dem 18. Jahrhundert unterscheidet Hauser
zwischen drei Bildungsschichten und den ihnen adäquaten Kunstformen zwischen
hauptsächlich bäuerlicher Volkskunst (wie Volkslied, Dekoration und
Andachtsgegenstand), volkstümlicher Kunst (wie Bilderbogen, Volksbuch und
Schlager), die sich im 20. Jahrhundert mittels der modernen Massenmedien der
Unterhaltungsindustrie als Massenkunst (Bestseller, Film, Rundfunk, Fernsehen)
etabliert, und der hohen authentischen Kunst der Bildungselite. Dieses
Differenzierungsprinzip, das sich auf Kunstschaffende und Publikum bezieht,
wäre nach Häuser flexibel auf die gesamte Kunstgeschichte auszudehnen.
Hauser
hat mit der Kunstgeschichte nach Querschnitten bereits in den fünfziger Jahren
die gegenwärtig stark diskutierte Frage nach der künstlerischen Produktion und
dem Gebrauch von Kunst im Alltag angesprochen. Es sind verdienstvolle
Bemühungen um eine sozial differenzierte Kunstgeschichtsbetrachtung, die eine
partielle Kritik und ein Aufbrechen des geläufigen Gegensatzpaares
"hohe" und "niedrige" Kunst enthalten!
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An
zwei Punkten wird Hausers Konzeption einer Kunstgeschichte nach
Bildungsgeschichten problematisch, er selbst benennt sie. Zum einen verweist er
auf Widersprüche zwischen Klassenzugehörigkeit und Bildungsniveau, zum anderen
ist ihm bewusst, dass das Publikum - insbesondere beim Jazz, Kinofilm,
Rundfunk, Fernsehen und der Pop-Art - sozial und bildungsmäßig recht heterogen
ist, "Mischformen" darstellt und sich gerade in der Gegenwart
Tendenzen der Annäherung und weiteren Differenzierung des Publikums kreuzen.
Das schmälert die durch Hauser in Angriff genommene beträchtliche
Gegenstandserweiterung der traditionellen Kunstgeschichtsschreibung nur
geringfügig. Eine mögliche Ergänzung dieser Sicht liefert Lenins These von den
zwei Klassenlinien innerhalb der bürgerlichen Nationalkultur. Erklärungsmodelle
der Gegenwart hingegen betonen die lebendige Komplexität pluralistischer
Kunstverhältnisse als Bedingung (tendenzieller) kultureller Selbstbestimmung.
(5)
Im sechsten Teil der Soziologie der Kunst, betitelt "Das Ende der
Kunst?", polemisiert Häuser ausführlich gegen seit Hegel immer wieder
geäußerte Befürchtungen vom Ende bzw. Untergang der Kunst, dennoch bewege sich
die bürgerliche Kunst des 20. Jahrhunderts im Zeichen einer Krise. Deren
Voraussetzungen sieht Hauser in der Entwicklung des Kapitalismus, welche zum
ersten Weltkrieg führte und sich in der Kunst der Moderne und Avantgarde
(von ihm oft gleichgesetzt) artikuliert. Als Kennzeichen der Moderne (ab
Baudelaire) nennt Hauser einen "grundsätzlichen Nonkonformismus und
Antitraditionalismus"; das markante Kriterium der Avantgarde verberge sich
in der Forderung, "dass die Schranken zwischen Leben und Kunst
niedergebrochen werden" (SdK, S. 719, 725). Futurismus, Dada,
Expressionismus, Kubismus und Surrealismus tragen nach Hauser als erste Etappe
der Avantgarde einen stark antiimpressionistischen und antinaturalistischen
Charakter, begehren unter dem Vorzeichen eines Antiästhetizismus auf,
verabschieden jegliche Wirklichkeitsillusion und befolgen in der Regel
Montageprinzipien (des Films). Gegen Lukács und mit Ernst Bloch verteidigt
Hauser die avantgardistischen Strömungen gegen den Vorwurf des Formalismus und
der Dekadenz (vgl. SdK, 744, 736), zumal er den avantgardistischen Angriff
auf die Kunst als einen auch politisch motivierten begreift: "Der
Expressionismus, Dadaismus und zum Teil auch der Surrealismus tragen einen
politisch progressiven, wesentlich sozialistischen Charakter" und die
Künstler fühlten sich "mit dem Proletariat zumeist solidarisch". (SdK,
S. 624) Nur fehlen hier nähere Erläuterungen. Es fällt aber auf, dass er den
Teil der Avantgarde ausspart, der zur praktischen Gestaltung der
gegenständlichen und räumlichen Lebensbedingungen übergeht. Ein einziges Mal
nimmt Hauser darauf Bezug: "Der Kampf gegen die Geschmacksverwirrung der
so genannten höheren Bildungsschichten begann fast überall mit der Entwicklung
des Sinnes für den Funktionalismus, die Sachlichkeit, Zweckmäßigkeit und
Materialechtheit der Produkte, mit einer Arbeitsdisziplin und einem
Arbeitsethos, die am zugeständnislosesten im Weimarer
Bauhaus regierten." (SdK, S. 731). Mit Gide, Proust, Musil, Joyce,
Kafka, Sartre und Camus bevorzugt er eine Traditionslinie, deren künstlerische
Leistung und individuelle Sinnsuche außer Frage steht und die im Anschluss an
Peter Bürger am treffendsten als "hermetische Moderne" bezeichnet
ist. Die Totalität von Kunst bleibt hier in den "verzerrten, illusionär
oder visionär verwandelten Zügen der Wirklichkeitswiderspiegelung"
erhalten, denn "sinnliche Erfahrung gilt mit Recht als der Wirklichkeit im großen und ganzen äquivalent", fasst Hauser
zusammen. (SdK, S. 738)
(6)
Die weitere Zuspitzung der bürgerlichen Kunstkrise hängt nach Arnold Hauser
"mit der entpersönlichenden, mechanisch konzipierten ´technischen
Reproduzierbarkeit´ der Werke im Sinne Walter Benjamins zusammen", vor
allem mit der wachsenden Rolle der elektronischen Medien seit den dreißiger
Jahren, doch sei eine Mystifizierung der "Aura" des originalen,
einmaligen und unersetzlichen Kunstwerkes unangemessen. (SdK, S. 700 f.)
Begründet wird letzteres mit der wesentlich früher einsetzenden Möglichkeit der
technischen Reproduktion mittels Buchdruck,
Holzschnitt, Kupferstich, Lithographie usw.; zum anderen damit, dass die
Verkäuflichkeit, der Warencharakter für die gesamte neuere Kunstproduktion
bezeichnend ist. Die technischen Bedingungen künstlerischer Produktion und
Reproduktion werden von Hauser souverän verteidigt, gegenläufige Theorien - für
ihn etwa McLuhans Interpretation der Massenkultur - deutet er als konservative
und elitäre Kulturkritik. (vgl. SdK, S. 651 ff.)
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Wie
Béla Balázs und Walter Benjamin erblickt er im Film einen Sieg der visuellen
Sinnlichkeit und akzeptiert ihn als neue Kunstgattung. Hauser erinnert dabei an
einen interessanten historischen Vorgang. Ist bei den ersten Filmschöpfungen
Chaplins, Eisensteins, Pudowkins und René Claires
allgemein eine Einheit von künstlerischer Qualität und Popularität zu
registrieren, so treibt die nachfolgende Entwicklung auseinander und es entstehen
der Film als Massenmedium und der literarische Film. Auch bei den bedeutenden
avantgardistischen Regisseuren Visconti, Rossellini, Fellini, Cocteau, Bresson,
Godard und Bergmann gäbe es allerdings keinen absoluten Publikumsriss, was
Hauser den universellen Rezeptionsbedingungen dieser relativ jungen Kunst
zuschreibt. (vgl. unter anderem SdK, S. 661 ff.)
(7)
Tradierte Kunstvorstellungen werden im 20. Jahrhundert auch durch die
Verbreitung der Massenkunst erschüttert. Als Ausdruck industrieller Produktion
und Reproduktion von Kunst zählt Hauser zu ihren wesentlichen Merkmalen die
Standardisierung der Muster, die Kurzlebigkeit der Produkte, die Heterogenität
des Publikums und die Unterhaltung für ein Massenpublikum. Abfällige
Bemerkungen Hausers zu jener "Allerweltskunst"
und eine unterschwellige Gleichsetzung von Vergesellschaftung und Vermassung
relativiert er wieder. So werden an der Massenkunst Tendenzen zur
Demokratisierung der Kultur, positive Elemente von Unterhaltung, die Potenz zur
anspruchsvollen künstlerischen Bildung und der mögliche Wirklichkeitsgehalt
hervorgehoben, was eine platte und pauschale Verurteilung der Massenkunst
einfach ausschließt.
Dennoch
verfängt sich Hauser in dem Widerspruch zwischen traditioneller (elitärer)
Kunstauffassung und weitem Kunstbegriff, als Realist akzeptiert er die
Massenkunst, als Kunstkenner erscheint sie ihm letztlich minderwertig. Immerhin
gesteht er ihr das Prädikat "Kunst" zu, in dem Wissen, dass sie die
repräsentative Kunst unseres Jahrhunderts verkörpert, wenigstens quantitativ.
Hauser neigt jedoch zur Auffassung, dass es "nur eine Kunst
gibt", nämlich die hohe Kunst, "die ein an und für sich evidentes
Bild der Wirklichkeit gibt, eine ernste Auseinandersetzung mit den Problemen
des Lebens und den beständigen Kampf um den Sinn eines verantwortungsvollen
Daseins zum Gegenstand hat" (SdK, S. 588).
(8)
Die Entwicklung der Moderne nach dem zweiten Weltkrieg betrachtet Hauser als
die eigentlich kritische Prasse der bürgerlichen Gegenwartskunst. In der Soziologie
der Kunst benennt er als Ursachen der neuerlichen Verschärfung der
Kunstkrise den Krieg und seine Folgen, insbesondere den Zusammenbruch des
liberalen Humanismus nach Auschwitz und die daraus resultierende Aktualität des
philosophischen und künstlerischen Existentialismus. "Wir zahlen bereits
den hohen Preis der Kultur, haben uns aber der idealen Gesellschaft von Marx
nicht beträchtlich genähert", resümiert Hauser resignierend. (SdK,
S. 717)
Krisensymptomen wie der "vollkommen negativen
Absurdität", dem Nouveauroman als
"Anti-Roman", dem "Anti-Helden" und damit einhergehenden
"Enthumanisierungs"tendenzen begegnet
Hauser mit unverhohlenem Bedenken. Andererseits heißt es, das neue
"negativ Künstlerische ... bewegt sich noch ... in mehr oder weniger unverkennbar
ästhetischen Kategorien, obgleich es sich nicht in den Formen von mikrokosmisch
organisierten, autonomen und immanenten Einheiten
repräsentiert, die Werke im herkömmlichen ästhetischen Sinne genannt werden
können" (SdK, S. 760).
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Sein
Abstoßen von Lukács' Dekadenzvorwürfen an die Adresse der Moderne ist begleitet
von einer ziemlich klaren Absage an Adornos Theorem der negativen Kunst.
Deutlich wird das am Beispiel Samuel Beckett, dessen Bilderwelt Adorno als
realistischen "Abdruck, Negativ der verwalteten Welt" nimmt. Hauser
würdigt die provokanten Diagnosen in Becketts Kunstschaffen, vermisst aber die
Suche nach einem Lebenssinn, distanziert sich vom "Verlust der Hoffnung",
dem "Verzicht auf alles Handeln" und empfindet die Unartikuliertheit der stammelnden Sprache als künstlerisch
höchst fragwürdig. (SdK, S. 787 ff.) Als ein (zwar nicht vorbildlicher)
Kunstreflex auf die entfremdete Welt verdiene Becketts Werk aber Toleranz,
"wenn man das Dogma von der unantastbaren Einheit des Kunstwerkes
aufzugeben bereit ist" (SdK, S. 798).
Damit
ergänzt Hauser das Modell vom "geschlossenen" Kunstwerk durch die
Anerkennung des "offenen" Kunstwerkes. Zugleich wird aus
seiner Perspektive klar, dass ein Kunstbegriff, der formal und inhaltlich auf
Totalität und Vernunftglauben zielt, angesichts der realen gesellschaftlichen
Entwicklung in den fünfziger und sechziger Jahren versagt, weil sich die
Sinnsuche in der bürgerlieben Welt und Kunst immer problematischer gestaltet.
So begnügt sich Hauser mit der Forderung nach einem "illusionslosen
Objektivismus" oder fühlt sich zur Bemerkung veranlasst, dass das sinnlose
Dasein eine sinnlose Kunst bedinge. (SdK, S. 755 und 761) Er entzieht
sich weiterer Anstrengungen, Kunst auf den Begriff zu bringen. Kunst sei
undefinierbar, denn das Diktum "Kunst ist, was als Kunst gilt"
beherrsche Kunstpraxis und -theorie. (SdK, S. 746, S. 700) Trotz seines
betonten Objektivismus und seiner postulierten Chronistenrolle stellt Hauser
mit dem Moment der Krise den Widerspruch zwischen humanem Anspruch und realer
bürgerlicher Wirklichkeit heraus.
Nur
sucht und bietet er keine alternativen Gesellschafts- oder Kulturmodelle wie
die Frankfurter Schule oder die Neuen Linken. Ihm geht es um die Diagnose,
nicht aber um die "Therapie des irritierten Verhältnisses zwischen
Künstler und Gesellschaft", wie beispielsweise Hans Peter Thurn eine der
Aufgaben der Kunstsoziologie formuliert hat.
Gelenkt
von wissenssoziologischer Ideologiekritik und Ganzheitsanspruch bewältigte
Hauser die sozialen Widersprüche seiner Zeit von unparteiischer Position aus,
er ging einen "Mittelweg". Sein Wissenschaftsgegenstand, die
bürgerliche Kunst, führte ihn zwar stets auf den Boden der bürgerlichen
Gesellschaft zurück, doch wollte er sich nicht unwiderruflich an diese binden.
Der Ausgang der bürgerlichen (Kunst-)Krise war für ihn ungewiss und offen.
Widerspruchslösung im Selbstlauf, partielle Reformierung des Kapitalismus,
sozialistische Revolutionierung, kriegerischer Untergang - alles liege in einer
systemgeteilten Welt im Bereich des Möglichen. Vage Hoffnungen verband Hauser
mit Tendenzen neuzeitlicher Philosophie aufklärerischen Charakters: "In
der Philosophie der Gegenwart gelangte, die dunklen Schatten des
Existentialismus erhellend, ein kritischer Rationalismus, ein dialektischer
Historismus und ein sozial gesinnter trotz aller Hoffnungslosigkeit hoffender
Humanismus zur Herrschaft..." (SdK, S. 790).
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Die Paradoxie der Kunst
Die
offenkundigen Schwierigkeiten beim angemessenen Beschreiben der Kunstspezifik
erbrachten und erbringen die verschiedensten Lösungsversuche. Lukács definierte
die ästhetische Eigenart der Kunst durch einen Spielraum, der als
organisierende Mitte ein nie genau bestimmbarer Punkt sei und stellt die
ästhetische Widerspiegelung als eine wesentlich pluralistische vor. Adorno
kennzeichnet das Lebenselement des Ästhetischen in der Kunst mit dem Terminus
"Paradoxie". Bei Hauser begegnen wir diesem Begriff in zweifacher
Bestimmung: Anfangs steht der Begriff der "Paradoxie" im Zentrum
seiner Manierismusdefinition und bedeutet
"Vereinigung unversöhnlicher Gegensätze", "unvermeidliche
Zweideutigkeit und den ewigen Zwiespalt" des künstlerischen Bildes. In der
Soziologie der Kunst schließlich konzentrieren sich dann die zusammengefassten
Äußerungen über die "Dialektik des Ästhetischen" im Begriff der
Paradoxie. Der Begriff verliert hier seinen Manierismusbezug
und wird zur Beschreibung des gesamten Kunstprozesses herangezogen. Er bewährt
sich bei Hauser als durchgängig gehandhabtes Erklärungsmuster, welches im "Paradoxen,
der Verbindung von Unvereinbarem, eine Grundform der Kunst" entdeckt.
(SdK, S. 421)
Wenngleich die
Kunst von Hauser verbal zum "Paradigma dialektischer Gebilde" erhoben
wird, so stellt er häufig - wie auch in der Paradoxiedefinition
- dialektische Gegensätze im Grunde als dualistische Pole hin, und dies
"nicht nur, was die geschichtlich aufeinanderfolgenden und strukturell
einander entsprechenden oder ergänzenden Schritte ihrer Entfaltung, sondern
auch was, den Zusammenhang des Systems betrifft, das in jeder ihrer einzelnen
Formen und Phasen auf dem Antagonismus zweier grundlegender Prinzipien beruht."
Gehen wir diesen beiden Aspekten nach.
Der
erste bezieht sich auf den Zusammenhang. Das Paradoxiemodell
beinhaltet dabei unter anderem die Wechselseitigkeit von Faktischem und
Phantastischem, Kunstproduktion und -bedürfnis, Werk und Künstlerbiographie,
Mimesis und Wunschbild, Gefühlsdistanz und emotionaler Bindung, Bewusstem und
Unbewusstem, Geschichtlichkeit und Zeitlosigkeit des Kunstwerks. Hauser betont
unter diesem Blickwinkel wiederum weniger deren Einheit, sondern vielmehr deren
Widersprüchlichkeit, die "gegenseitig konstitutive Funktion" der
beteiligten Momente und die "Spannung zwischen kontradiktorischen Interessen".
(SdK, S. 356, 363) Es geht ihm vor allem um einen Spielraum für die
Theorie, der die differenzierte Akzentuierung von Momenten innerhalb. sich
wandelnder Zusammenhänge erlaubt. Goethes "Symbolische", Hegels
"Besondere" und Lukács' "Typische" enthielten "alle
Kompromissformen des Identitätsgedankens, mit welchem man die unausgleichbare Dualität der Inhalt-Form-Beziehung aus der
Welt zu schaffen und den Mythos von der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit des
künstlerischen Schaffens retten zu können hofft... Für die eigenartige
Gegenseitigkeit von Form und Inhalt, die Paradoxie ihrer Untrennbarkeit und
gleichzeitiger Unidentifizierbarkeit, den Primat des erlebnishaft materiellen
und die Unentbehrlichkeit des formalen Elements ist der dialektische Prozess
die grundlegende Formel..." (SdK, S. 341 ff.). Für den Dualismus im
zitierten Beispiel dürfte Hausers Befürchtung ausschlaggebend sein, dass auf
der Basis des Determinismus nur der gesellschaftliche "Inhalt"
untersucht wird, zufällige, psychologische, formale, strukturelle und
technische Momente aber - wie streckenweise in vergangener marxistischer
Theorie und Geschichte der Kunst - vernachlässigt werden. Wiederholt spricht er
auch von einem Dualismus von Objekt und Subjekt, Leib und Seele.
Mit
der zweiten Bestimmung von Paradoxie soll die Spielbreite von
Entwicklungen und die Möglichkeit der Wahl, etwa bei den geschichtlichen
Stilverläufen der Kunst, unterstrichen werden. Hauser glaubt nämlich, dass die
Dialektik das Prinzip der Entwicklung auf Alternativentscheidungen beschränkt
und damit ungehörig simplifiziert. (vgl. SdK, S. 447) So behauptet er,
die Dialektik erschöpfe sich im Dualismus und könne spätestens mit dem
gleichzeitigen Auftreten von Spätrenaissance, Manierismus und Barock nicht
mehrgerecht werden. Die fortschreitende (Stil-)geschichtliche Entwicklung
bewillige der "freien Wahl mit drei Möglichkeiten, das heißt dem tertium
datur als Chance immer mehr Raum." Der von Hauser selbst
installierte Dualismus findet hierin sein dringliches Vermittlungsglied.
In
dem am Lebensende geschriebenen Essay Variationen über das "tertium
datur"' bei Georg Lukács glaubt Hauser unausgesprochen das für ihn
richtungweisende wissenssoziologische Modell der "dynamischen Mitte"
durch Lukács These von der Dominanz des tertium datur in der Kunst absichern zu
können, um seine Suche nach einem Einseitigkeiten
vermeidenden Mittelweg theoretisch zu fundieren. Zentrales Anliegen des Essays
ist es, das tertium datur als "dritten Faktor" und subjektive
Wahlmöglichkeit, als Ausweg bei Konflikten und Widersprüchen zwischen mehr
als nur zwei Alternativen in die Dialektik zu integrieren, da
Entweder-oder-Situationen" in der Kunst selten und in der Geschichte nicht
immer die Regel wären, sondern: der Kompromiss. Damit erklärt Hauser den
Geschichtsprozess als einen fortwährenden Interessenausgleich, der soziale
Widersprüche bändigen kann. So markiert der Essay bezeichnende Unterschiede in
der Dialektikauffassung und politischen Parteinahme
zwischen dem engagierten Kommunisten Lukács und den um politische Neutralität
bemühten Hauser.
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Dass
der künstlerische Schaffensprozess als Kompromiss interpretiert wird, als
beständige Wechselwirkung mannigfaltiger Motive und Momente, die sich im
Kunstwerk manifestieren, schützt vor einem Verabsolutieren der
Inhalt-Form-Einheit und gibt den Weg frei zur Analyse "offener"
Kunstwerke, in denen beispielsweise das Montageprinzip auf eine beabsichtigte
Inkommensurabilität der Werkteile, etwa beim Absurden, hinausläuft. Indem
Hauser auch die Subjekt-Objekt-Dialektik künstlerischer Produktion und
Rezeption anerkennt, trägt er der Dynamik des gesamten Kunstprozesses Rechnung.
Der
Kreis ist geschlossen: Wissenssoziologischer Ansatz, die These von der
Paradoxie der Kunst und das methodische Prinzip des tertium datur
vereinigen sich im Streben nach Totalitätserkenntnis und gedanklicher
Widerspruchsbewältigung des komplexen Kunstprozesses. Mit der Erweiterung des
Kunstbegriffs wird Hauser dem Realprozess weitgehend gerecht und berücksichtigt
beispielsweise die "Pop-Musik" (Beatles), die "Pop-Malerei"
(Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Robert Rauschenberg) und Happenings. Das war
Anfang der siebziger Jahre ein Novum und ist in den akademischen
Kunstwissenschaften wohl heute noch nicht die Regel. Das offene Kunstkonzept
Hausers bewahrt ebenso den Wunsch nach (extensiver) Totalität des
wissenschaftlichen Erkennens trotz voranschreitender Entfremdung.
Erklärtermaßen distanziert er sich sowohl von der Erkenntniszuversicht und dem
Geschichtsoptimismus marxistischer Provenienz als auch von gegenläufigen
Theorien, die beispielsweise die Entfremdungsproblematik hypertrophieren, wenn
er schreibt, "die Gefasstheit von ... Lukács ist nicht weniger ideologisch
beschränkt als die Angst Adornos" (SdK, S. 784). Dahinter verbirgt
sich, neben der wissenssoziologischen Einstellung, die Erfahrung von
vorübergehender Konfliktlösung und fortschreitender Kunstentwicklung trotz viel
beschworener allgemeiner Krise des Kapitalismus. Hausers Mittelweg mag
fragwürdig erscheinen, doch führte sein wissenssoziologisches Vorgehen in
seiner kunstsoziologischen Theorie wie in den kunsthistorischen Arbeiten zu recht produktiven Ergebnissen. (Selbst im Politischen
kann sein tertium datur, das in dieser Hinsicht von
einem "allgemeinen Liberalisierungsprozess" [SdK, S. 154]
ausging, aus heutiger Sicht - 1988/89 - als realistisch eingeschätzt werden.)
Bei aller anzubringenden Kritik zeugt Arnold Hausers Kunstkonzeption von beeindruckendem
Gedankenreichtum, außergewöhnlicher Kunstkenntnis und immenser
Dialogbereitschaft.
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Anmerkungen (Die
Fußnoten sind bei der Umwandlung in html verschwunden
... sollen aber dennoch stehen bleiben)
1.
Arnold Hauser: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, Teil I
und II, München 1953. Die englische Ausgabe erfolgte bereits im Jahre 1951.
2.
Vgl. Karl Max Kober: Gespräch über Probleme der
Kunstgeschichtsschreibung. In. Weimarer Beiträge, 9/1984, S. 1454.
3.
Arnold Hauser: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 2 Bde.
(Fundus-Bücher: Bde. 106/107 und 108/109/110), Dresden 1987, In dieser Ausgabe
fehlt bedauerlicherweise das Schlusskapitel "Im Zeichen des Films",
in dem Hauser entsprechende Tendenzen der bürgerlichen Kunst bis kurz nach dem
zweiten Weltkrieg verfolgt.
4.
Arnold Hauser: Philosophie der Kunstgeschichte, München 1958, S. 1
(nachfolgend abgekürzt: PdK).
5.
Georg Lukács, in: Arnold Hauser: Im Gespräch mit Georg Lukács,
München 1978, S. 12.
6. Christian Gneuss, in: Ebd., S. 39.
7.
Soziologische Exkurse, in: Frankfurter Beiträge zur Soziologie,
Bd. 4, hg. von Theodor W. Adorno und Walter Dirks,
Frankfurt/Main 1956, S. 93f.
8.
Martha Mierendorff, Heinrich Tost: Einführung in die
Kunstsoziologie, Köln-Opladen 1957, S. 16 f.
9.
Norbert Schneider: Kunst und Gesellschaft: Der
sozialgeschichtliche Ansatz, in: Kunstgeschichte. Eine Einführung, Berlin
1986, S. 247 f.
10.
Vgl. Anm. 4 (späterer Titel der PdK.
Methoden moderner Kunstbetrachtung).
11.
Arnold Hauser: Der Manierismus. Die Krise der Renaissance
und der Ursprung der modernen Kunst (späterer Titel: Der Ursprung der modernen
Kunst und Literatur. Die Entwicklung des Manierismus seit der Krise der
Renaissance), München 1964.
12.
Arnold Hauser: Soziologie der Kunst, München 1983, S. XII
(nachfolgend abgekürzt: SdK).
13.
Der kleine Sammelband enthält drei Radiogespräche, den Essay
Hausers Variationen über das tertium datur bei Georg Lukács und ein Nachwort
von Peter Christian Ludz.
14.
Vgl. Karl Mannheim: Ideologie und Utopie, in: Schriften Zur
Philosophie und Soziologie, begründet von Max Scheler, hg.
von Karl Mannheim, Bd. III, Bonn, 1929 und PdK,
S. 1-18.
15.
Vgl. Karl Mannheim: Die Gegenwartsaufgaben der Soziologie.
Ihre Lehrgestalt, Tübingen 1932, S. 51 f.
16.
Jürgen Scharfschwerdt: Arnold Hauser, in: Klassiker der
Kunstsoziologie, hg. von Alphons Silbermann, München
1979, S. 265 (Anm. 52) und S. 202.
17.
Ekkehard Mai- Kunst, Kunstwissenschaft und Soziologie. Zur
Theorie und Methodendiskussion in Arnold Hausers Soziologie der Kunst",
in: Das Kunstwerk, 1/1976,S. 4 f.
18.
Lászlo Barlay: Wissenssoziologie als Kulturgeschichte? Zu
Arnold Hausers "Sozialgeschichte der Kunst und Literatur“, in: Sinn und
Form, 3/1972, S. 632-644.
19.
Räterepublik und Kultur. Ungarn 1919, hg.
von József Farkas, Budapest 1979, S. 290.
20.
Zoltán Halász: In Arnold Hauser’s workshop, in: The new Hungarian
quarterly,
21.
Theoretische
Ansätze der Kunstsoziologie, in: Kunst und Gesellschaft, Bd. 9, hg. von Alphons Silbermann, Stuttgart 1976, S. 2 ff.
22.
Vgl. Jürgen Scharfschwerdt, a. a. 0.
23.
Heinz Quitzsch: Kulturgeschichte
als Kunstsoziologie. Arnold Hausers Ergänzung der Kunstwissenschaft, in:
Zur Kritik der bürgerlichen Kunstsoziologie in Deutschland' Habil.-Schrift,
Greifswald 1966; Hans-Ulrich Beyer: Sozialgeschichte und
Kunstgeschichte. Zur Kritik der theoretischen Konzeption einer Kunstgeschichtsschreibung
von Arnold Hauser, Diss. A, Leipzig 1985; K.-J. Lebus:
Kritik theoretischer Grundpositionen der Kunstsoziologie Arnold Hausers, Diss. A, Greifswald 1986.
24.
Arnold Hauser: Im Gespräch mit Georg Lukács, a. a. 0., S. 43. -
Der Klassenkampf um die Besitzverhältnisse an den Produktionsmitteln bildet für
Hauser die "Grundtatsache des gesellschaftlichen Lebens" (SdK, S. 225
f.). Eine klare begriffliche Bestimmung von Produktionsweise,
Produktionsverhältnissen und Produktivkräften unterbleibt, "Klasse" entspricht
"Vermögensklasse". Hauser will sich nicht nur von einem
"einseitigen Ökonomismus" abstoßen, sondern zugleich von dem
"geschichtlichen Determinismus" marxistischer Theorie (SdK, S. 201),
vor allem der Voraussage künftiger Entwicklungen, da er in diesem Falle
objektive sozialökonomische Gesetzmäßigkeiten ausschließt. Hauser unterstreicht
die aktive Rolle des Bewusstseins, die relative Autonomie künstlerischer
Erscheinungen und die relative Selbständigkeit des ideologischen Überbaus
überhaupt.
25.
Vgl. Walter Ziegenfuß zum Stichwort
"Kunstsoziologie", in: Handwörterbuch der Soziologie, hg. von Alfred Vierkandt,
Stuttgart 1931, S. 308.
26.
Arnold Hauser: Im Gespräch mit Georg Lukács, a. a. 0., S. 70, und
SdK, S. 57 ff.
27.
Karl Mannheim: Die Gegenwartsaufgaben... a. a. 0., S. 23 f.
28.
Arnold Hauser: Der Manierismus.... a. a. 0., S. 89 f.
29.
John Erpenbeck: Was kann Kunst? Gedanken zu einem
Sündenfall, Halle-Leipzig 1979, S. 114 ff.
30.
Michael Franz: Aneignungsfunktion und Sinnfrage, in: Weimarer
Beiträge, 1/1989, S. 51.
31.
Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, in: Adorno: Gesammelte
Schriften, Bd. 7, Frankfurt/Main 1970, S. 387.
32.
Vgl. dazu Erwin Pracht [Ltg.]: Ästhetik
der Kunst, Berlin 1987, S. 235.
33.
Vgl. ebd., S. 124. - Ein enger und wertender Kunstbegriff ist eben
nur schwer abzulegen, das bestätigen analoge Schwierigkeiten in der
marxistischen Kunsttheorie und Ästhetik. Da die Massenkunst und andere
Kunstphänomene selbstverständlicher Bestandteil heutiger Lebensweise sind,
werde das "Kunstverstehen" immer mehr zu einem Problem traditioneller
Kunstwissenschaften, wurde jüngst lakonisch festgestellt.
34.
Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, a. a. 0., S. 54.
35.
Hans Peter Thurn: Kritik marxistischer Kunsttheorie, in: Kunst und
Gesellschaft, Bd. 7, Stuttgart 1976, S. 2.
36.
Georg Lukács: Die Eigenart des Ästhetischen, Bd. 2, Berlin und
Weimar 1981, S. 635 ff.
37.
Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, a. a. 0., S. 525
38.
Arnold Hauser: Der Manierismus..., a. a. 0., S. 13.
39.
SdK, S. 444 [Hervorhebung - K.-J. L.].
40.
Arnold Hauser: Im Gespräch mit Georg Lukács, a. a. 0., S. 87-90;
vgl. auch SdK, S. 436 ff.
41.
Ich verweise auf Lukács und Adorno nicht ohne Grund, denn an
anderer Stelle formuliert Hauser, er fühle sich zwischen beiden geborgen und
verdanke beiden gleich viel (Im Gespräch mit Georg Lukács, S. 81). Trotz
gewichtiger Unterschiede gibt es viele Berührungspunkte in ihren theoretischen
Ansichten (und zum Teil in ihren Biographien). An dieser Stelle soll wenigstens
auf folgendes hingewiesen werden: Hauser will sich nicht nur hinsichtlich der
gesellschaftlichen Zukunftsprognosen und politischen Ambitionen zwischen Lukács
und Adorno platziert wissen und versucht, sich im Spannungsfeld zwischen
wissenschaftlichem Totatitätsideal und
Entfremdungsprozess zu behaupten. Gleichermaßen vermittelnde Positionen
vertritt er in Fragen des klassischen künstlerischen Erbes (von Lukács
verabsolutiert), der Moderne und des "offenen" Kunstwerkes (von
Adorno verabsolutiert) sowie in seiner Realismusauffassung.
Abschließend sei die These gewagt, dass in Hausers Kunstkonzept auch die
Vermittlungsabsicht zwischen den kunstästhetischen Ansichten von Adorno und
Lukács eingeschrieben ist.
Der Text von 1989 ist
urheberrechtlich geschützt, veröffentlicht und bekannt !
P. S.
Diesen Beitrag habe ich - noch im
Spannungsfeld des Ost-West-Konflikts 1989 - geschrieben und er ist aus heutiger
Sicht an einigen Stellen zweifellos verbesserungsbedürftig. Dennoch …
Zur positiven
Resonanz gehört die Anmerkung Gunter OTTOs in "Kunst + Unterricht
152/1991, S. 5: "In den WEIMARER
BEITRÄGEN, Heft 6/1990, - wer weiß, wie lange es sie noch gibt - findet sich
eine sorgfältige Rekonstruktion der methodologischen Prämissen und der
Wirkungsgeschichte von Arnold HAUSER ... durch ... K.-J. Lebus. HAUSER
... tritt nicht nur als interdisziplinärer Forscher, sondern auch als
unabhängiger Denker in Erscheinung."
Autor: Dr. Lebus (1989/90)
Arnold Hauser
(Wikipedia Beitrag 12/2004) |
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